Cult of the Lamb im Test: Zwischen Aufbausim, Dungeon Crawler und Roguelite
Eine alte Gottheit benötigt ein Opferlamm, um sich von ihren Fesseln zu befreien. Dieses Lamm ist unser Protagonist in dem Roguelite „Cult of the Lamb“. Doch ehe es so weit ist, gilt es, einen Kult aufzubauen.
Triggerwarnung: Natürlich ist alles in Cult of the Lamb mit einer guten Portion schwarzem Humor zu betrachten, einige Triggerwarnungen sollten aber dennoch zumindest angesprochen werden: Essen, Hungern, Erbrechen, Blut, Herzkrankheit, Krankheit, Tod (auch Suizid und Mord), Sekten, Fäkalien, Drogen, Gefangenschaft.
„Die Rote Krone“, einst Teil einer mächtigen, göttlichen Allianz, wurde von den vier Bischöfen des alten Glaubens verraten und in Ketten gelegt. Um ihre Macht zurückzuerhalten, rettet Die Rote Krone unser Schaf vor dem Opferaltar und übergibt ihm das namensgebende Attribut: Die rote Krone. Durch diese erhalten wir besondere Kräfte und können sie im Spielverlauf verbessern.
Release: 11. August 2022 Plattformen: Windows PC, PlayStation 4 + 5, Xbox One + Series X|S, Nintendo Switch, Publisher: Devolver Digital Entwicklungsteam: Massive Monster
Bevor es so richtig losgeht, müssen wir einen Kult gründen, den wir selbst benennen dürfen. Um die zukünftige Herde, die aus allen möglichen putzigen Tier- und Fantasiewesen besteht, zu versorgen, muss unser Lamm die passende Versorgungsinfrastruktur gewährleisten.
Gebäude und Einrichtungen
Wir benötigen einen Tempel, in dem wir Predigten und Rituale abhalten sowie unsere Krone aufwerten, eine Kochstelle, Farmen, Holz- und Steinabbauplätze, ein Camp für unsere Anhänger*innen und so weiter. Je mehr Mitglieder unser Kult hat, desto mehr Gebäude kommen hinzu, wie beispielsweise Toilettenhäuschen, ein Missionsposten, Fabriken, Krankenstationen, ein Beichtstuhl, Gefängnisse und weitere, optionale Einrichtungen, die sich auch noch aufwerten lassen.
Manche der Bedürfnismechaniken erinnern an Aufbausims wie Startopia oder sogar an Lebenssimulationen wie Die Sims, was unter anderem erklärt, warum Cult of the Lamb trotz kleinerer Macken so enorm fesselnd ist.
Die meisten Gebrauchseinrichtungen weisen eine bestimmte Haltbarkeit auf. So zerfallen unsere zu Beginn errichteten Schlafplätze beispielsweise innerhalb kürzester Zeit und müssen wiederaufgebaut werden. Fehlen Schlafplätze, wird uns dies oben mittig im Bild angezeigt.
Um die Haltbarkeit zu erhöhen, können Gebäude aufgewertet werden; aus dem Schlafsack wird ein Zelt, aus dem Zelt eine Hütte und so weiter. Sonderlich viele Stufen gibt es dabei allerdings nicht zu erreichen. Die Schlafplätze stellen hierbei schon die am weitesten ausbaubare Einrichtung dar.
Eine Frage des Glaubens
Die in Ketten gelegte Gottheit sieht unser Protagonistenschaf als Repräsentanten seiner selbst und verlangt von dem aufgebauten Kult Glauben und Gehorsam dem Schaf gegenüber – also sich selbst gegenüber. Hingabe und Glauben erhalten wir, indem unsere Mitglieder an einem Schrein beten, wenn wir neue Gebäude errichten, Predigten und Rituale abhalten, schmackhaftes Essen zubereiten, weitere Anhänger*innen für uns gewinnen usw.
Sinkt der Glaube unter ein bestimmtes Niveau, gibt es Abtrünnige, die erst wieder geläutert werden müssen. Tun wir dies nicht, stecken sie weitere Mitglieder mit ihren Zweifeln an oder beklauen den Kult, bevor sie ihn verlassen. Um dies zu verhindern, muss das Schaf die vom Glauben Abgefallenen durch tägliche Bekehrungen, Inhaftierung in einem Gefängnis oder einem speziellen Gericht von ihrem mangelnden Glauben abbringen.
Die Hingabe ist gleichzeitig eine Art Währung, die uns im Kultdorf am Schrein Perks des Skilltrees freischalten lässt. Diese erlauben uns, neue oder verbesserte Einrichtungen zu bauen. Es gibt aber auch richtiges Geld in Form von Münzen, mit denen wir uns neue Gebäudepläne und verschiedene andere Waren kaufen können.
Dungeon, ich komme!
Um unseren Kult am Laufen zu halten, muss das Lamm regelmäßig auf Beutezug durch die vier Dungeons gehen. Diese starten immer in einer Höhle, in der uns zufällig eine Nahkampfwaffe und ein Fernangriff zugewiesen werden. Danach entscheiden wir, welchen Weg bis zum Zwischenendboss wir auf der zufällig generierten Abzweigungskarte wählen.
Je nachdem, wo lang wir ziehen, können wir Ressourcen, Tarotkarten, die uns Boni geben, neue Mitglieder, Handeltreibende oder spezielle Charaktere finden. Doch die Beute hat ihren Preis, denn nicht umsonst erhalten wir zu Beginn unserer „Kreuzzüge“ Waffen. Einige der Räume werden von großen und kleinen Monster beherrscht, die je nach bereister Welt variieren.
Stirbt unser Lamm nicht schon hier, muss es sich am Ende des Dungeons einem Bossfight stellen. Jedes Dungeon müssen wir viermal inklusive Endgegner bestreiten. Ist dies geschafft, wird eine neue Welt freigeschaltet.
Größer und länger ≠ besser
Die Endkämpfe verlaufen immer nach dem gleichen Muster: Ein großes, tierhaftes Wesen muss besiegt werden. In verschiedenen Kampfphasen werden wir von ihm attackiert und es ruft sich kleinere Schergen zur Hilfe. Das kleine Schaf muss viel ausweichen und die Angriffsmuster des Gegenübers studieren, um im richtigen Moment zum kurzen Gegenangriff auszuholen. Dadurch können sich diese Kämpfe oft unnötig in die Länge ziehen.
Kein Soulslike – zum Glück!
Riesenkröte XY schlägt ihre Zunge nach uns, wir weichen aus, rollen noch mal ein Stück weiter, um dem Hieb der Gehilfen zu entgehen, warten noch eine Angriffswelle ab und dürfen dann vielleicht mal kurz pieks bei der Kröte machen. Dennoch ist der Standard-Schwierigkeitsgrad soweit angemessen. Denn es handelt sich bei Cult of the Lamb glücklicherweise weder um Dark Souls, noch um Elden Ring oder Lords of the Fallen.
Wird das Lamm verwundet, verliert es Leben, die durch Herzen am linken, oberen Bildschirmrand dargestellt werden. Steht diese Anzeige auf null, verendet unser Schaf. Das kann sehr ärgerlich sein, weil wir uns zuvor ja schon durch das komplette Dungeon gekämpft haben. Außerdem müssen wir einen Teil unserer Beute zurücklassen und etwas Glauben unseres Kults einbüßen.
Karte ohne Dungeon: Die Pilgerpassage
Neben den Dungeons könnt ihr über eine separate Weltkarte, die „Pilgerpassage“ heißt, weitere Orte bereisen. Hier findet ihr zum Beispiel Handeltreibende und andere Charaktere, wie unseren anfänglichen Guide Rattau, mit dem ihr das zufallsbasierte Würfelspiel „Astragaloi“ um Geld oder zum reinen Vergnügen spielen dürft. Kleiner Spoiler: Während der Kreuzzüge schaltet ihr automatisch weitere Glücksspielende mit höheren Anforderungsstufen als der von Rattau frei.
Außerdem warten in der Pilgerpassage einige Nebenquests auf euch, die euch Vorteile gewähren. Beispielsweise werden neue Rituale durch Erledigung freigeschaltet oder wir erhalten Zugang zu weiteren Ressourcen sowie Vliesteile.
Heiraten, opfern und Drogen
Im Tempel erfüllen wir unsere Hauptaufgabe, den Glauben an die Rote Krone zu festigen. Durch tägliche Predigten verbreiten wir unsere „Lehren“ und stellen Doktrinen auf. Außerdem können wir hier unsere Krone aufwerten und dem Protagonisten ein anderes Vlies (eine Art Poncho) anziehen. Diese Vliese werden zuvor in den Dungeons freigeschaltet und versprechen uns je verschiedene Vor- und Nachteile auf unseren Kreuzzügen.
Was ist schon ein sektenhafter Kult, ohne heidnische Rituale? Uns stehen einige dieser Ereignisse im Tempel zur Verfügung und wir benötigen für ihre Ausführung Ressourcen, meist Knochen, Blumen und/oder Kultmitglieder. Damit erzielen wir unterschiedliche, temporäre Ergebnisse. Beispielsweise können wir Anhänger*innen opfern oder heiraten. Eine Heirat steigert den „Wert“ des Mitglieds, falls wir es töten oder zu einem Dämon machen, der uns auf unseren Kreuzzügen begleitet.
Nachdem unser Lamm in der Pilgerpassage die Quest für Pilzwesen Sozo absolviert hat, können der Herde Magic Mushrooms gegeben werden, sodass sie eine Weile lang keine unserer Taten mit einem Glaubensverlust quittieren können. Viele weitere Rituale erzielen andere Boni.
Die aber wohl wichtigste Funktion des Tempels sind unsere Doktrinen. Diese sind in vier Ober-Themen unterteilt, die sich in vier weitere Unterthemen auffächern. Bei jedem dieser vier Unterthemen müssen wir uns zwischen zwei Gesetzen entscheiden.
Freundliches Unterjochen
In regelmäßigen Abständen kommen im Dorf Kultmitglieder mit Nebenmissionen auf uns zu. Meist wünschen sie, dass das Lamm ein spezielles Ritual im Tempel durchführt, etwas kocht, Blumen oder verschollene Verwandte aus einem der freigeschalteten Dungeons holt.
Es kann sich lohnen, diese Quests anzunehmen, weil sie eine einfache Art bieten, den Glauben zu erhöhen. Allerdings bleibt uns hierfür nicht viel Zeit und wenn wir scheitern, verlieren wir einen Teil des Glaubens. Lehnen wir direkt ab, wird ebenfalls ein wenig davon abgezogen.
Wenn Geld egal ist
Relativ schnell sind alle verfügbaren Gimmicks im Baumenü freigeschaltet. Ist dieser Punkt erreicht, werden die Hingabe-Loot-Tropfen, die wir am Schrein farmen können, durch Geldmünzen ersetzt. Ab hier verliert Cult of the Lamb einen großen Teil seines Reizes, denn nun können wir uns so ziemlich alles, was wir wollen, leisten: Fisch für reichhaltigere Mahlzeiten, Samen von der Regenbogengarnele (oder Raupe?) Rakshasa, Designs und sogar neue Mitglieder, die uns Spinne Kankro anbietet.
Schnell hatte ich so ohne darauf zu achten 300.000 Münzen angespart und mich dadurch irgendwie noch mehr geärgert, wenn ich trotz meines Reichtums noch mal und noch mal ins Dungeon musste, weil mir schon wieder zwei Edelsteine fehlten, um irgendein Deko-Dings zu bauen, denn bestimmte Güter können wir ausschließlich während der Kreuzzüge bekommen.
Dennoch wirkt der gelungene Genremix aus Roguelite/like, Aufbausimulation und Dungeon Crawler. Leicht zu bewältigende, kleinere Aufgaben und Ziele halten uns gebannt vor dem Bildschirm. Es ist schön, den eigenen Kult wachsen und gedeihen zu sehen und immer mehr neue Anhänger*innen zu erspielen.
Patch installieren und gut ist
Cult of the Lamb hatte zum Release hin große Performanceprobleme, insbesondere auf Konsolen. Allgemeine Bugs wie Softlocks, Abstürze und starkes Stocken sowie andere unerfreuliche Zwischenfälle waren keine Seltenheit.
Vor dem letzten Patch stürzte das Spiel bei mir in der vierten Welt immer wieder kurz vor dem Bossfight ab. Das war in vielerlei Hinsicht nervtötend und hat mir persönlich den Spielspaß kaputt gemacht. Die erzwungene Spielpause hat meinen Flow unterbrochen und als ich dann nach dem Patch wieder einstieg, vermochte mich mein „Garnelenkult“ nicht mehr zu halten. Die Abläufe schienen mir zunehmend eintönig und ein „Ich habe hier schon alles erreicht und gesehen“-Gefühl stellte sich ein.
Mit der Installation des Updates hat sich auf der PS4 einiges verbessert, die Grafik jedoch ebenfalls ein wenig verändert. Alles scheint nun mit einem rötlichen, glossy Schleier überzogen zu sein (was nicht weiter stört, sondern nur ungewohnt ist) und auch nach dem Patch stockt das Spiel auf der PS4 gegen Endspiel im Dorf oder bei Ritualen ordentlich. Dennoch hat es sich so weit eingependelt, dass der Spielspaß erhalten bleibt. Und der ist wirklich groß!
Etwas schade fand ich aber, dass es kaum etwas ausmacht, welche Anwärter*innen ich in meinen Garnelenkult aufnehme, obwohl diese eigentlich verschiedene Eigenschaften aufweisen. Mitglieder zu opfern fiel mir schnell nicht mehr schwer, im Gegenteil war mir das lieber, als nach einem meiner Dungeon-Ausflüge wieder den Schreinvorplatz voller Leichen zu haben. Die Lebensdauer der Anhänger*innen ist nämlich ziemlich kurz.
Geheiratet hat mein Lamm nur noch, um den Wert des Mitglieds bei einer Opferung zur Wiederbelebung des Protagonisten zu erhöhen. Eine Heirat oder die Gabe von Geschenken hat den größten Einfluss. Ist ein Opfertier schon alt oder krank, sinkt der Wiederbelebungswert, sodass wir in dem Fall oft gerade einmal mit einem halben Herz starten.
Die wenigen negativen Punkte, die ich angerissen habe, sind dem einen spielunterbrechenden Bug geschuldet, der mich in den kalten Entzug schickte. Zuvor war ich absolut hingerissen von den knuddeligen Charakteren, von denen einzelne auch Anspielungen auf andere Medien sind. Etwas mehr über diese zu erfahren wäre wirklich schön gewesen.
Jetzt, wo einige dieser Probleme auf der PlayStation 4 behoben zu sein scheinen, kann ich allen, die ein absolut fesselndes Roguelite, das trotz des makabren Settings in Sachen Suchtfaktor anderen Managementspielen wie Animal Crossing, Stardew Valley oder Startopia gleichkommt, nur empfehlen. Ich für meinen Teil konnte mich kaum losreißen und konnte meine Alltagssorgen während des Spielens wunderbar vergessen.
Transparenz
Die Medienagentur Cosmocover hat mir einen Key für das Spiel zur Verfügung gestellt und ich habe es privat auf meiner PlayStation 4 getestet. Für diesen Artikel hat mich also niemand bezahlt.
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Wenn ihr möchtet, dass ich eines eurer Spiele teste, schreibt mich gerne unter kontakt[at]nerdynele.de an. 🙂